Seewasser: lokale erneuerbare Energie nutzen
In Schweizer Seen ist viel Energie gespeichert. Diese nutzt Energie 360° zum klimafreundlichen Heizen und Kühlen von Überbauungen und Quartieren in Städten und Gemeinden. Die Einsparung an CO2-Emissionen dabei ist beachtlich.
Publiziert 23.05.2020 Aktualisiert 04.11.2024 Lesedauer 6 minEnergiequelle der Zukunft: Die thermische Seewassernutzung
In den Schweizer Seen schlummert ein immenses Potenzial für die Gewinnung klimafreundlicher Energie. Dabei ist für einmal nicht die Rede von den Stauseen, die fernab der grossen Städte in den alpinen Regionen eigens für die Gewinnung von Strom errichtet wurden. Nein, die Energielieferanten der Zukunft sind die Seen des Mittellands und am Alpenrand, an deren Ufern viele der grossen Schweizer Städte liegen. Sie sind ein nie versiegendes Reservoir für die Versorgung Zehntausender Haushalte und Unternehmen mit Seewasserenergie für das Heizen und das Kühlen durch Wärmepumpen. Sauber, erneuerbar und praktisch unerschöpflich.
So wird Energie aus Seewasser gewonnen
Und so funktioniert diese zukunftsträchtige Form der Seewasserheizung: In 20 bis 40 Metern Tiefe wird Wasser aus dem See ans Ufer gepumpt. Über einen Wärmetauscher wird die Wärmeenergie des in dieser Tiefe 4 bis 10 Grad warmen Seewassers auf ein Kältemittel in einem separaten Kreislauf übertragen. Das Seewasser wird nach Abgabe der Energie sauber und unversehrt wieder zurück in den See geleitet.
Wichtig zu wissen: Das Kühlmittel zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf. Es kommt weder mit dem Seewasser noch mit dem Heiz- und Brauchwarmwasser je in Berührung.
Das im Wärmetauscher temperierte Kühlmittel verdampft und erhöht seine Temperatur beim Durchströmen eines Kompressors. Ähnlich wie die Luft, die sich beim Zusammenpressen in einer Velopumpe erwärmt.
In einem weiteren Wärmetauscher gibt das Kühlmittel die Wärmeenergie an das Heiz- und das Brauchwarmwasser weiter. Dieses wird so auf die gewünschte Temperatur erhitzt und dann in die angeschlossenen Haushalte geleitet. Dasselbe Prinzip – nur umgekehrt – wird bei der Kühlung angewendet.
An einen solchen Kreislauf ist jeweils ein Energieverbund aus Privathaushalten und Gewerbeliegenschaften angeschlossen. Energie 360° entwickelt und realisiert mehrere solcher Grossprojekte, zum Beispiel für den Gesundheitscluster Lengg oder in Meilen, Wohlen bei Bern, Tolochenaz und Zürich Tiefenbrunnen sowie in Thalwil. Der Energieverbund Thalwil Zentrum versorgt rund 100 Liegenschaften mit 13 Millionen Kilowattstunden Wärme und 500 000 Kilowattstunden Kälte. Thalwiler*innen sparen so 2 800 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ein.
Spülbohrung: So kommen die Leitungen in den Boden
Meterlange Rohre, viel Flüssigkeit sowie gefrässige Bohrköpfe sind nötig, um Wasserleitungen in den Boden einzuziehen. Bei der Spülbohrung räumt ein Aufsatz, der sogenannte Bohrmeissel, den Weg frei. Diese erste Durchbohrung mit kleinerem Durchmesser zeichnet den Weg der späteren Hauptleitung vor. Danach weiten die Bauarbeiter*innen den dünnen Tunnel mit einem sogenannten Räumer aus und ziehen die Rohre hindurch. So steht die künftige Leitung.
Ein Gemisch aus Wasser und Bentonit, einem festigenden Stoff, spült das durchbohrte Material im Tunnel rückwärts zum Eingang und stabilisiert gleichzeitig den Hohlraum. Denn der Tunnel darf nicht einstürzen.
Etwas komplizierter gestalten sich die Arbeiten, wenn sich das eine Ende der Leitung unter Wasser befindet. Tauchexpert*innen unterstützen die Bauarbeiter*innen bei Aufträgen im See.
Zahlen und Fakten zum Thema Seewasserenergie
Die Schweiz hat 79 Seen mit einer Fläche von mehr als 0,5 Quadratkilometern und 6668 Kleinseen mit einer Fläche zwischen 500 und 500 000 Quadratmetern.
221,3 Kubikkilometer
Es könnte Wärme- und Kühlenergie für ein bis zwei Millionen Menschen gewonnen werden. Das Potenzial liegt bei bis zu zwei Gigawatt, was der Leistung von zwei Kernkraftwerken entspricht.
Die Besiedlungsdichte, der Abstand zum See und Höhenunterschiede haben einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit.
Rund um den See und in der Stadt Zürich sind derzeit rund 50 Energieverbünde in Betrieb oder in Planung, die auf der Energie aus Seewasser basieren.
Grosse Projekte sehen die Versorgung von bis zu 6800 Haushalten vor.
Interview: Schutz für Flora und Fauna
Martin Schmid, Abteilung Oberflächengewässer bei Eawag, erklärt, inwiefern Energieverbünde mit Seewasser die Flora und Fauna eines Gewässers oder Gebiets beeinflussen können.
Haben Seewasserverbünde einen Einfluss auf Lebewesen im und am See?
Das ist erstens eine Frage des Masses, und zweitens kommt es darauf an, ob der See zum Heizen oder zum Kühlen genutzt wird. Tiere und Pflanzen sind an gewisse Temperaturschwankungen gewöhnt. Wenn die durch die Wärmenutzung verursachten Temperaturveränderungen deutlich kleiner sind als die natürlichen Schwankungen von Jahr zu Jahr, sind keine negativen Auswirkungen auf die Lebewesen zu erwarten. Dies ist bei den aktuell betriebenen und geplanten Seewasserverbünden der Fall.
Wie sieht es umgekehrt mit der Kühlnutzung aus?
Kühlnutzungen sind kritischer zu beurteilen. Dies aus dem Grund, weil sie dem See Wärme zuführen. Die Oberflächentemperaturen unserer Seen sind in den vergangenen 40 Jahren durch die Klimaerwärmung bereits um mehr als zwei Grad gestiegen. In begrenztem Mass sind aber auch Kühlnutzungen unbedenklich und eine sinnvolle Alternative zu elektrisch betriebenen Kühlanlagen.
Was ist bei der Planung einer Anlage für den Schutz der Lebewesen sonst noch zu beachten?
In Seen ist es wichtig, dass die Dichteschichtung und die Nährstoffflüsse nicht zu stark beeinflusst werden. Dies könnte passieren, wenn beispielsweise Wasser aus dem tiefen Bereich eines Sees entnommen und nach der Nutzung an die Oberfläche zurückgeleitet wird. Die Zufuhr von nährstoffreichem Tiefenwasser an die Oberfläche könnte dann zu unerwünschten Algenblüten führen. Der Bau der Leitungen für die Entnahme und die Rückleitung des Wassers sind zudem lokale Eingriffe in das Gewässer. Hier muss man darauf achten, dass ökologisch wertvolle Standorte wie Schutzgebiete, Schilfgürtel oder Laichplätze von Fischen nicht beeinträchtigt werden.
Das Wasser wird in bis zu 40 Meter Tiefe angesaugt. Wie stellt man sicher, dass keine Fische mit in die Rohre gelangen?
Die Vorrichtung fürs Ansaugen ist so konzipiert, dass Fische nicht in die Leitungen gelangen können. Zudem darf das Wasser nicht zu schnell eingesaugt werden, damit keine zu starke Strömung entsteht und die Fische problemlos wegschwimmen können.
Neugierig geworden?
Sie möchten mehr über Seewasser als Energiequelle erfahren? Oder Ihren eigenen Haushalt an einen Energieverbund anschliessen? Vereinbaren Sie ein Gespräch. Wir beraten Sie gerne.
043 317 25 25 verkauf@energie360.chDas könnte Sie auch interessieren
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