Enerthing liefert Energie aus Kunstlicht – mit Photovoltaikfolien
Die Photovoltaikfolien von Enerthing GmbH (Enerthing) nutzen künstliche Lichtquellen in Gebäuden, um Strom zu produzieren und so IoT-Geräte mit Energie zu versorgen. Energie 360° unterstützt das Start-up durch ihren Smart Energy Innovationsfonds mit Venture Capital.
Publiziert 05.02.2023 Aktualisiert 05.02.2023 Lesedauer 7 minDas Internet of Things (IoT) wächst schwindelerregend schnell – so auch der damit verbundene Energieverbrauch. Milliarden von elektronischen Kleingeräten und Sensoren sind über das «Internet der Dinge» verknüpft. Diese Geräte werden zurzeit vor allem mit Einwegbatterien betrieben, deren Verbrauch weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll ist. In der Schweiz wurden 2021 nur 49,5% aller Geräte- und Industriebatterien rezykliert. Das Einsparpotenzial bei IoT in Gebäuden und Fabriken ist also enorm.
Das deutsche Start-up Enerthing hat sich ein klares Ziel gesetzt: Es will das Internet der Dinge unabhängig machen von Einwegbatterien und den Verbrauch durch Sensoren effizient steuern. Wie das geht? Mit Photovoltaikfolien. Diese nutzen künstliche Lichtquellen, um Strom zu produzieren.
Enerthing möchte das Potenzial von IoT ausschöpfen
«Vor Enerthing war ich im Management bei einem Hightech-Start-up in England tätig. Dort wurden bereits neuartige Photovoltaikfolien entwickelt», erzählt Gründer und CEO Michael Niggemann. Zurück in Deutschland hat er 2016 sein eigenes Start-up gegründet. Dem Gründer war bewusst: Wenn die IoT-Welt so schnell wächst wie vorhergesagt, müssen Milliarden von Geräten entweder mit Einwegbatterien betrieben oder aufwändig verkabelt werden. Da dies weder wirtschaftlich noch nachhaltig ist, würde ein grosses Potenzial der Effizienzsteigerung durch IoT ungenutzt bleiben. Dieses Potenzial möchte Enerthing nutzen.
Ganzheitliche Lösung für nachhaltige Effizienz
Viele Unternehmen konzentrieren sich primär auf die Photovoltaiktechnologie. Enerthing beschränkt sich nicht nur auf das Solarprodukt, wie Niggemann erläutert: «Es geht um die gesamtheitliche Lösung. Wir fokussieren uns auf die Photovoltaik und die Anwendung: von der Auswahl der Photovoltaikfläche, dem Produktdesign und der Integration ins Gehäuse bis zu den Sensordaten in der Cloud.»
Um batteriebetriebene Produkte photovoltaisch statt durch Batterien zu betreiben, braucht es mehr als nur ein anderes Gehäuse: «Es wird eine neue Elektronik sowie eine neue Regelung der Geräte benötigt. Wir verknüpfen den Gedanken des Smart Grid, also des smarten Stromnetzes, mit der IoT-Welt.» Das Licht variiert in Büros je nach Tageszeit, was aufgrund der sich verändernden Energie eine Herausforderung darstellt. Doch auch dafür hat Enerthing eine Lösung, erklärt der CEO: «Zur Regelung der IoT-Geräte steuern wir die Aktivitäten je nach Energiebedarf dank der Sensoren und Daten in der Cloud.» Diese Eigenschaft macht das Produkt wartungsfrei.
Aktuell konzentriert sich Enerthing auf zwei Anwendungsbereiche: die gesamte Gebäudesensorik und die Digitalisierung im Industriebereich. Für die Optimierung von Gebäuden sind drei Faktoren relevant: energieeffizienter Gebäudebetrieb, Auslastungsmanagement und Gesundheit in den Innenräumen – dazu gehört unter anderem die Luftqualität. Im Industriebereich deckt das Start-up vor allem die Bereiche Lagerhaltung und Condition-Monitoring ab, womit zum Beispiel der Maschinenzustand ermittelt werden kann.
Enerthing verfolgt das Ziel, Mehrwert zu bieten und Daten zu generieren, wo es zuvor nicht möglich war. Dazu entwickeln wir nicht nur Solarfolien, sondern eine ganzheitliche Lösung.
Michael Niggemann
Gründer und CEO von Enerthing
Von Licht zu Strom – mit doppelter Produktivität
Für das Leverkusener Start-up ist Effizienz ein entscheidender Faktor. Die Technologie von Enerthing erzielt einen doppelt so hohen Wirkungsgrad bei der Beleuchtung mit künstlichem Tageslicht wie herkömmliche Solarzellen. Das Team von Michael Niggemann hat eine Photovoltaiktechnologie entwickelt, die im Vergleich zu anderen pro Fläche mehr Energie bei gleichem Licht erzeugt – eine besondere Umwandlungseffizienz von Licht zu Strom. Die Solarzellen erzeugen nutzbare Energie bereits ab einer Beleuchtungsstärke von 200 Lux, was etwa einem schlecht beleuchteten Schreibtisch entspricht.
Anwendungsbeispiele für die Technologie von Enerthing
CO2-Sensor zur energieeffizienten Raumlüftung: Der Sensor misst die Luftqualität, die Temperatur, die Feuchtigkeit und den CO2-Wert. Er ist energieautark und ein integrierter Alarm weist durch Summen auf Grenzwertüberschreitungen hin.
Vibrationssensor zur frühzeitigen Warnung vor Ausfällen von Industriemaschinen: Auf einer Maschinenoberfläche liegend, weist die Zunahme der Vibration auf einen Verschleiss hin.
Enerthing druckt die Solarzellen auf Folien, wodurch sie gut biegbar sind. In Kombination mit der mechanischen Flexibilität der Folien und der Robustheit sind die Produkte vor allem für Industrieanwendungen wie schwer zugängliche Geräte mit Sensoren und Displays geeignet. Dadurch funktionieren sie energieautark.
Vier Tipps für Start-ups
CEO Michael Niggemann weiss, was vor allem am Anfang für ein Start-up entscheidend ist. Sein Tipp: «Es ist wichtig, früh an den Markt zu gehen und zu testen. Konkret heisst das, frühzeitig grosse Kund*innen zu finden, mit denen man das Produkt evaluieren kann, auch wenn es noch nicht ausgereift ist.» Zu den Herausforderungen gehört dabei der Nachweis der Skalierbarkeit: «Man muss zeigen, dass hinter der Technologie ein Markt steht und es sich lohnt, zu investieren.»
Neben der marktreifen Technologie ist ein funktionierendes Team wichtig: «Wenn ich eine Lösung entwickle, habe ich die Technologieexpertise, aber nicht unbedingt die Markt- und die Branchenexpertise. Das Team sollte divers und geschickt aufgestellt werden, um schon früh eine Branchenkompetenz im Unternehmen aufzubauen.»
Persönlich empfiehlt Michael Niggemann, mit sich selbst ehrlich zu sein: «Man darf nicht den Anspruch haben, alles selbst zu machen. Die eigenen Schwächen und die fehlenden Kompetenzen sollte man mit den Fähigkeiten anderer Menschen ausgleichen. Es braucht Mut, eigene Schwachpunkte zuzugeben und Arbeiten abzugeben.»
Ein Start-up sollte während des gesamten Prozesses seinen Grundprinzipien treu bleiben und diese als Steuerelement in Bezug auf äussere Einflüsse nutzen: «Ein Aspekt ist die Agilität, auf den Markt und die Umgebung zu reagieren, ein anderer, an den eigenen Überzeugungen festzuhalten.» So kann eine Zusammenarbeit mit einem Investor wegentscheidend sein. «Wenn man als Unternehmen nur aufs schnelle Geld aus ist und so von den Grundprinzipien widersprechende Entscheidungen trifft, leidet die Glaubwürdigkeit.»
Unser Grundprinzip beruht auf Nachhaltigkeit und sinnvoller Technologie, nicht auf Gewinnmaximierung.
Michael Niggemann
Gründer und CEO von Enerthing
Venture Capital für Enerthing
Für die Energietransformation sind neue Technologien essenziell. So unterstützt Energie 360° Enerthing seit 2018 durch den Smart Energy Innovationsfonds. Die Zusammenarbeit bringt für das junge Unternehmen nebst unterstützendem Kapital einige strategische Vorteile mit sich. «Energie 360° interessiert sich nicht nur für Energieerzeugung mit Photovoltaik, sondern auch für umfassendere Themen wie Energieeinsparung, Smart City und Smart Building», sagt Michael Niggemann.
Corporate Venture Capital: das Beste aus zwei Welten
Der Smart Energy Innovationsfonds von Energie 360° ist ein Corporate-Venture-Capital-Fonds, der die Innovationskraft eines etablierten Unternehmens durch Kollaborationen mit Start-ups stärkt. Energie 360°spricht Corporate Venture Capital, um an Zukunftstechnologien zu partizipieren und Talente kennenzulernen. Die Start-ups ihrerseits erhalten – neben Kapital – Zugang zum Netzwerk und Erfahrung.
Herausforderungen für das Start-up
Die Pandemie hat viele extreme Umbrüche und somit Herausforderungen für Start-ups mit sich gebracht, wie Michael Niggemann erläutert: «Wir durchlebten in dieser Zeit nebst der Pandemie einen Chipmangel, Lieferengpässe, den Ukraine-Krieg sowie Klimakatastrophen. Es kam zu Marktverschiebungen, die schwierig einzuschätzen waren.» Wie handelt man hier als Start-up? «Wir müssen agil bleiben und uns schnell anpassen. Denn der Fokus der Industrie variiert sehr schnell.» Mit dem CO2-Sensor hat Enerthing auf die Situation reagiert. Vor der Pandemie war die Luftqualität primär für Schulen und Office-Bereiche wichtig. Das Bewusstsein für gute Luft war in der Gesellschaft noch nicht so verbreitet wie heute. Das Thema Energieeffizienz gewann ebenfalls an Bedeutung: Wie betreibt man Gebäude effizient und wie ändert man sein Verhalten, damit man Energie spart? «Dank Sensoren können Nutzer*innen energieeffizient lüften», so Niggemann.
So viel Potenzial steckt in Enerthing
«Heute liegt der Fokus auf den Innenräumen. Wir sehen bei der robusten Photovoltaiktechnologie aber auch im Aussenbereich ein grosses Potenzial– etwa im Bereich Smart City», sagt Niggemann. «Dafür ist es jedoch wichtig, zu fokussieren. Man kann in der frühen Phase nicht alle Märkte gleichzeitig angehen. Die Herausforderung in der IoT-Welt ist die hohe Komplexität, weil es so viele verschiedene Use Cases gibt. Für den Marktzugang müssen wir uns mit limitierten Ressourcen auf die identifizierten Marktsegmente und Anwendungen konzentrieren.»
Meilensteine von Enerthing
Gründung der Enerthing GmbH.
Invest der NRW Bank und des Smart Energy Innovationsfonds von Energie 360°. Enerthing gewinnt den Next Economy Award.
Umzug von Köln nach Leverkusen sowie Aufbau der Volumenproduktion für Photovoltaikfolien.
Enerthing gewinnt den Handelsblatt Energy Award und den Smart Home Award. Im Sommer bringt das Start-up ihr erstes Produkt auf den Markt, den Conditon-Monitoring-Sensor. Kurz darauf erfolgt grosser Projektgewinn mit Linth & Sprüngli (Aachen), Industrie 4.0 Retrofit.
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