Smarte Infrastruktur: mit Ilocator zum digitalen Zwilling
Das deutsche Start-up iLocator GmbH (Ilocator) hat eine Lösung entwickelt, dank der Städte ihre Infrastruktur digitalisieren und Kosten und Ressourcen sparen können. Energie 360° unterstützt die Innovation durch den Smart Energy Innovationsfonds mit Venture Capital.
Publiziert 28.04.2023 Lesedauer 5 minUnterhalts- oder Reparaturarbeiten finden normalerweise dann statt, wenn sie nötig sind. Ein Abwasserschacht wird gereinigt, wenn er verschmutzt ist; ein Strassenbelag wird saniert, wenn er beschädigt ist. Doch wie behält eine Stadt oder eine Gemeinde den Überblick darüber, welche Infrastrukturanlage wann in einem reparaturbedürftigen Zustand ist?
«Viele Städte kennen ihre eigene Infrastruktur und deren Zustand sehr schlecht», sagt dazu Henrik Michaelsen, Mitgründer von Ilocator. «So planen sie die Wartungsarbeiten meistens einfach jährlich.» Und dies ganz unabhängig davon, ob ein Wasserschacht oder eine Strasse tatsächlich in einem reinigungs- oder sanierungsbedürftigen Zustand ist. Unnötige Kosten und Umweltemissionen sind die Folge.
GPS, Kameras und Sensoren an Fahrzeugen sammeln Daten
Und genau hier setzt das Start-up Ilocator von Michaelsen und Niels Heeser Nielsen an. Zielgruppe sind Verwaltungen, welche die Infrastruktur ihrer Gemeinde genauer kennen wollen, um so Unterhaltsarbeiten gezielter zu planen. Zu diesem Zweck erstellen die Produkte von Ilocator einen digitalen Zwilling der gesamten Infrastruktur wie von Strassen, Abwasserschächten oder Randsteinen.
Um diese Daten zu erfassen, nutzt das Unternehmen technische Hilfsmittel wie GPS, Kameras und Bewegungssensoren. Nun wäre es allerdings ziemlich aufwendig und teuer, das ganze Gemeindegebiet mit solchen Geräten auszustatten. Michaelsen und sein Team setzen stattdessen auf eine clevere Idee: Sie bringen die Messgeräte an Fahrzeugen an, die ohnehin in der Stadt unterwegs sind. Also beispielsweise an Putz- oder Abfallautos.
Verwaltungen sparen 20% der Unterhaltskosten
Während die Fahrzeuge auf ihrer gewohnten Tour unterwegs sind, sammeln sie nebenbei wertvolle Daten. Diese wiederum speichert Ilocator und setzt sie nach und nach in einer Art digitalen Landkarte zusammen. «Man kann sich das vorstellen wie ein riesiges Puzzle», erklärt Michaelsen. Je länger die Fahrzeuge unterwegs sind, desto umfassender werden die gesammelten Informationen.
Erfasst wird dabei nicht nur der Standort, sondern auch der Zustand. Anhand dieser Daten erkennen die Behörden, wann Unterhaltsarbeiten nötig sind – und wann eben nicht. «Indem sie auf unnötige Unterhaltsarbeiten verzichten, sparen Verwaltungen rund 20% ihrer Unterhaltskosten», schätzt Michaelsen. Ein weiterer Vorteil: Durch die Erfassung via GPS behält die Verwaltung den Überblick darüber, ob die verantwortlichen Subunternehmen ihre Arbeit auftragsgemäss durchgeführt haben. So behalten die Behörden auch in dieser Hinsicht die Kostenkontrolle.
Know-how in Software und Hardware ermöglicht gesamtheitlichen Blick
Henrik Michaelsen gründete das Start-up Ilocator zusammen mit Niels Heeser Nielsen, den er zuvor schon 25 Jahre kannte. «Niels ist ein Hardwarespezialist, mein Background ist die Software», erklärt er. «Unser gemeinsames Knowhow ergänzt sich perfekt und ermöglicht uns einen ganzheitlichen Blick.»
Trotzdem: Einen Markt zu finden für die Innovation war anfangs anspruchsvoll. «Die öffentliche Branche ist tendenziell konservativ und risikoscheu», sagt Michaelsen. Zudem erkannten die beiden Gründer bald, dass sie sich nicht auf den Markt in ihrem Heimatland beschränken konnten. «Die dänischen Städte haben bereits einen recht hohen Digitalisierungsstandard». So hat Ilocator 2016 entschieden, vermehrt auch mögliche Kund*innen in Deutschland anzugehen, da diese laut Michaelsen deutlich mehr Aufholpotenzial haben.
Unterstützung durch Venture Capital
Nicht nur in Dänemark und Deutschland, sondern auch in England hat ILocator inzwischen einen Kund*innenstamm aufgebaut, der auf die Smart-Infrastructure-Lösungen zurückgreift. Doch der Weg hierhin war steinig. Michaelsen warnt andere Start-up-Unternehmer*innen deshalb vor unrealistischen Erwartungen: «Man sollte sich nicht zu stark von Erfolgsgeschichten blenden lassen von Start-ups, die nach einem oder zwei Jahren Millionen verdienten.» Denn die Realität sehe in den meisten Fällen anders aus. «Die wichtigsten Eigenschaften, die es braucht, sind Geduld und Ausdauer.»
Und natürlich Investor*innen, die bereit sind, die Vision des Jungunternehmens zu unterstützen. Ein solcher Investor ist der Smart Energy Innovationsfonds von Energie 360°. Damit unterstützt das Schweizer Unternehmen das dänische Start-up mit Venture Capital. Henrik Michaelsen schätzt in der Zusammenarbeit die Professionalität und den gegenseitigen fachlichen Austausch.
Schweizer Kund*innen hat Ilocator bislang noch keine. «Interesse ist vorhanden», erklärt Michaelsen. «Als kleines Unternehmen ist es uns derzeit allerdings noch nicht möglich, Projekte in weiter entfernten Ländern umzusetzen.» Hinzu komme, dass die Schweizer Gemeinden in Sachen Digitalisierung ähnlich fortgeschritten sind wie jene in Dänemark. «Deshalb ist der Bedarf hier nicht ganz so gross wie in Deutschland.»
Corporate Venture Capital: das Beste aus zwei Welten
Der Smart Energy Innovationsfonds ist ein Corporate-Venture-Capital-Fonds, der die Innovationskraft eines etablierten Unternehmens durch Kollaborationen mit Start-ups stärkt. Etablierte Unternehmen sprechen Corporate Venture Capital, um an Zukunftstechnologien zu partizipieren und Talente kennenzulernen. Die Start-ups ihrerseits erhalten – neben Kapital – Zugang zum Netzwerk der etablierten Unternehmen.
Sicherheitsmassnahmen für den Datenschutz
Mit seinen innovativen Lösungen trägt Ilocator dazu bei, dass Städte sich mit digitalen Hilfsmitteln zur «Smart City» entwickeln. Das hilft den Verwaltungen nicht nur, Kosten zu sparen, sondern wirkt sich auch positiv auf die Umwelt aus – beispielsweise, weil sie so den Einsatz und damit den CO2-Ausstoss von Infrastrukturfahrzeugen reduzieren.
Der Einsatz von Videos oder Sensoren wirft allerdings auch Fragen nach dem Datenschutz auf. «Das ist ein grosses Thema bei uns», bestätigt Michaelsen. Um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten, sammelt Ilocator nur die für den Unterhalt nötigen Daten und verschlüsselt diese wiederum, sodass sie nur den befugten Personen zugänglich sind. «Ausserdem speichern wir sie ausschliesslich auf Servern in der EU, weil hier diesbezüglich strenge Sicherheitsrichtlinien bestehen.»
Zusammenarbeit mit Privatunternehmen für mehr Effizienz
Sechs Jahre besteht das Start-up nun – wie sieht die Zukunft aus? Nachdem sich Ilocator zunächst auf die Kund*innengruppe der öffentlichen Verwaltungen konzentriert hat, sucht das Start-up heute auch vermehrt die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen. «Wir sind beispielsweise eine Partnerschaft mit dem international tätigen Architektur- und Ingenieurbüro Sweco eingegangen», sagt Michaelsen.
Zusammen mit Sweco entwickeln Michaelsen und sein Team ihre Produkte weiter, um die Infrastruktur von Gemeinden noch genauer zu erfassen. So arbeiten sie derzeit an einer Lösung, um genauere Informationen über die Beschaffenheit von Trottoirs und deren Randsteine zu erhalten. «Bisher erfordert dies 15 Personen, die nichts anderes tun, als diese Daten zu erfassen». Mit Ilocator erfolgt dies automatisch – und die Mitarbeitenden haben Zeit, sich auf ihre eigentlichen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Auch in dieser Hinsicht zielen die Lösungen von Ilocator auf einen smarteren Einsatz der Ressourcen.
Wichtige Meilensteine von Ilocator
Gründung von Ilocator
Erstes Business-Angel-Investment
Der Smart Energy Innovationsfonds beteiligt sich an Ilocator
Erste AI-Applikation auf dem Markt
35 Kund*innen in Dänemark, Deutschland und England
Erste internationale strategische Partnerschaften, erweitertes Produktportfolio mit AI-Lösungen für Strassen, Trottoirs, Entwässerungen sowie Asset- und Task-Management
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