Pflanzenwachstum und Stromerzeugung: Agrivoltaikanlagen von Insolight
Das EPFL-Start-up Insolight entwickelt Solarmodule für die Landwirtschaft. Die innovativen Agrivoltaikanlagen fördern das Wachstum der Pflanzen und produzieren Solarstrom.
Publiziert 14.09.2023 Lesedauer 4 min«Geplant war die Entwicklung von Agrivoltaikanlagen eigentlich nicht», erzählt Laurent Coulot, CEO von Insolight. Im Jahr 2015 gründete er gemeinsam mit Mathieu Ackermann, CTO, und Florian Gerlich, Produktarchitekt, das Start-up Insolight. Das Trio arbeitete an der Weiterentwicklung von Solarmodulen für Photovoltaikanlagen, deren Technik noch effizienter als die bisher dagewesene sein sollte. Insolight will Teil einer nachhaltigen Lösung des Energieproblems sein, und zwar ganz konkret bei der Entwicklung und der Umsetzung neuer Techniken. Im Gespräch mit Branchenexperten und grossen Marketplayern realisiert das Unternehmen, dass die unmittelbare Konkurrenz sehr gross ist und konzentriert sich daher auf eine kleine Sparte, die bisher noch weitgehend brach liegt: Agrivoltaik. «Hier konnten wir unser bisheriges Wissen in einem Bereich einsetzen, der noch sehr viel Innovationspotenzial bietet.» Weil die Zertifizierung neuer Komponenten ein langwieriger Prozess ist, nutzen die Ingenieur*innen von Insolight bereits existierende Technik von Photovoltaikanlagen sowie Gewächshäusern und entwickeln diese für die landwirtschaftliche Nutzung weiter.
«Wenn du die Pflanzen sowieso schützen musst, dann nutze das Schutzsystem doch noch für etwas anderes.»
Laurent Coulot
CEO und Gründungsmitglied von Insolight
Insolagrin: Förderung des Wachstums, Schutz der Pflanzen und nachhaltige Energieproduktion
Die neu entwickelte Technik heisst Insolagrin und kommt in der Landwirtschaft zum Einsatz. Sie unterstützt das Pflanzenwachstum mit der richtigen Menge an Sonneneinstrahlung und schützt vor Regen und Hagel. Gleichzeitig besteht für die Landwirt*innen die Möglichkeit, Strom zu erzeugen – eine spannende Möglichkeit, in einem weiteren Geschäftsfeld aktiv zu werden. Insolagrin basiert auf lichtdurchlässigen Solarmodulen, die gleichzeitig Strom produzieren. Die Anlage spannt sich wie ein Dach über die Pflanzen und ersetzt dadurch Folientunnel und Gewächshäuser. Die Solarmodule sind steuerbar, leiten das Sonnenlicht an den Solarzellen vorbei zu den Pflanzen und unterstützen so ihr Wachstum. Bei ungünstiger Witterung ändern die Landwirt*innen mithilfe einer App die Positionierung der Screens und schützen die Pflanzen so vor Regen, Hagel oder zu hoher Sonneneinstrahlung. Die halbtransparenten, bifazialen Photovoltaikmodule sind gleichzeitig Energielieferanten. Die Screens bündeln das Sonnenlicht und produzieren dadurch Strom. Diesen können die Landwirt*innen wahlweise für den Eigenverbrauch nutzen oder ins Stromnetz speisen.
Die Anlage lässt sich bequem über eine App namens Insoinsights steuern. In ihr sind alle Monitoring-Parameter hinterlegt. Speziell: Nebst den üblichen Daten, die eine Photovoltaikanlage im Energiebereich braucht, zieht die App auch Daten zu Witterungs- und Umwelteinflüssen hinzu – etwa Licht, Temperatur oder Feuchtigkeit. Nun können die Landwirt*innen wahlweise eine automatisierte Anwendung wählen, sodass sich die Anlage zum Beispiel an der Dauer der täglichen Sonneneinstrahlung orientiert. Oder sie steuern die Anlage individuell. Ein grosses Plus: Insoinsights sammelt die Daten und analysiert die Steuerung. So entsteht ein Feedbackloop, der den Nutzer*innen hilft, bei der Einstellung der Anlage noch präziser zu werden.
«Das Produkt schliesst eine Lücke im System und deckt zwei Grundbedürfnisse ab: Es unterstützt bei der Produktion von Nahrungsmitteln und von Energie.»
Laurent Coulot
Gründungsmitglied und CEO von Insolight
Vier Jahre Entwicklungszeit
Von der Idee bis zur ersten Anlage dauerte es fast vier Jahre. «Es war eine intensive Zeit. Wir haben viel ausprobiert und immer wieder nachgebessert», sagt Laurent Coulot. Ihren ersten Einsatz hatte die Insolagrin-Technik bei der Kultivierung von Himbeeren. Zwischen Juli 2021 und März 2023 verglich Insolight im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojekts mit Agroscope und Romande Energie die Qualität von Himbeeren unter einer Agrivoltaikanlage von Insolight mit jener von Himbeeren in einem herkömmlichen Gewächshaus. Das Ergebnis überzeugte: Der Zuckergehalt und das Gewicht waren gleichwertig, darüber hinaus produzierte die Anlage auf 165 m2 rund 11 Megawattstunden Solarstrom. Seit Mai 2023 sind die Agrivoltaikanlagen nun bei privaten Betrieben im Einsatz. Weitere Projekte im In- und Ausland sind in den Startlöchern, ausserdem sind Versuche mit Obstbäumen geplant.
Vor der Installation überprüfen die Ingenieur*innen von Insolight zusammen mit ihren Kund*innen wichtige Parameter, die für eine erfolgreiche Nutzung notwendig sind: etwa die Höhe und die Breite der zu bewirtschaftenden Fläche, die Abstände zwischen den Reihen sowie den Einsatz von Maschinen. Für die profitable Bewirtschaftung gibt es ein Flächenminimum von aktuell 5000 m2. Es gilt: Je grösser die Fläche, desto effizienter der Ertrag der Kulturen und der Energie.
Unterstützung durch Kapital und Know-how
Der Energiemarkt ist sehr konkurrenzstark, kostengetrieben und innovationsscheu. Investoren zu finden, ist eine Herausforderung. Laurent Coulot erzählt: «Bei der ersten Finanzierungsrunde verstehen die Investoren, dass noch nicht alles bereit ist. Je weiter das Projekt fortschreitet, desto höher wird aber die Erwartungshaltung. Mein Learning: Wichtig ist, so früh wie möglich zu erkennen, wer wirklich den Willen hat, das Projekt zu verstehen.» Energie 360° verstand das Potenzial von Insolight rasch: «Das Produkt ist eine innovative Lösung, die zwei wichtige Herausforderungen unserer Zeit adressiert: die Energiewende und die nachhaltige Landwirtschaft», so Metin Zerman, Leiter Start-up Investments bei Energie 360°. «Insolight hat ein starkes technisches Verständnis und die Fähigkeit, seine Vision in die Realität umzusetzen. Mit der Unterstützung durch den Smart Energy Innovationsfonds hoffen wir, Insolight dabei zu helfen, sein volles Potenzial zu entfalten und einen positiven Beitrag zur Energiezukunft der Schweiz zu leisten.»
Corporate Venture Capital: das Beste aus zwei Welten
Der Smart Energy Innovationsfonds ist ein Corporate-Venture-Capital-Fonds, der die Innovationskraft eines etablierten Unternehmens durch Kollaborationen mit Start-ups stärkt. Etablierte Unternehmen sprechen Corporate Venture Capital, um an Zukunftstechnologien zu partizipieren und Talente kennenzulernen. Die Start-ups ihrerseits erhalten – neben Kapital – Zugang zum Netzwerk der etablierten Unternehmen.
Endlich klare Zulassungsvoraussetzungen schaffen
Eine grosse Herausforderung ist die Vergabe von Bewilligungen für Agrivoltaikanlagen. Die Zulassungsvoraussetzungen sind seitens Bund und Kantonen noch nicht klar definiert. «Es ist jetzt umso wichtiger, dass wir genügend Partner haben, die das Thema vorantreiben. Je mehr Firmen an Agrivoltaik interessiert sind, desto grösser sind die Chancen, dass gesetzliche Bestimmungen dafür etabliert werden: klare Zulassungsvoraussetzungen und Möglichkeiten für die Subventionierung, um das Ganze auch energiewirtschaftlich und -politisch relevant zu machen», so Laurent Coulot.
Der Einsatz von Agrivoltaik lohnt sich für die Landwirt*innen nicht nur durch den zusätzlichen Verdienst mit Solarstrom. Weil die Plastiktunnel ersetzt werden, sparen sie auch Kosten für das Abräumen und das Entsorgen der Folien. Eine Win-win-Situation für Umwelt und Finanzen. «Unser Ziel ist es, eine Lösung zu entwickeln, die die Landwirtschaft und die Energieproduktion nachhaltig miteinander verbindet – nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt.»
Meilensteine von Insolight
Gründung durch Laurent Coulot, Mathieu Ackermann und Florian Gerlich mit dem Ziel, effiziente Photovoltaikmodule zu entwickeln.
Insolight erhält von der EPFL den Status «Innogrant». Damit verbunden ist eine enge Zusammenarbeit mit dessen LAPD (Labor für angewandte Photonikgeräte).
Insolight gewinnt total drei «Venture Kicks» und damit finanzielle Unterstützung für die weitere Entwicklung.
Insolight gewinnt bei den «Top 100 Swiss Startup Awards» den Preis als bester Newcomer.
Insolight gewinnt den «Coup de Coeur Start-Up»-Award der Climate Show in Genf.
Entscheidung, in den Bereich Agrivoltaik zu wechseln. Kontinuierliche Entwicklung und Skalierung der Technik auf grössere Flächen.
Das Pilotprojekt mit Romande Energie und Agroscope startet. Es finden erste Gespräche mit Energie 360° statt.
Der Smart Energy Innovationsfonds beteiligt sich an Insolight in einer Serie-A-Finanzierungsrunde.
Realisierung erster Projekte: 2500 m2 Fläche in Luzern, 4000 m2 in Wallis und 3000 m2 in Südfrankreich. In der Pipeline sind weitere Projekte mit einem Volumen von rund 300 000 m2 – Projekte in der Schweiz, in Deutschland, der Niederlande, in Frankreich, Italien und weiteren Ländern.
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