Mit der Speicherung von CO2 verbessern die Planeteers den Planeten
Mithilfe der natürlichen Kalksteinverwitterung speichert das Climate-Tech-Start-up Planeteers CO2 aus der Luft ins Wasser ein. Der Pilotreaktor läuft seit August 2024 erfolgreich. Jetzt gilt es, die Technologie im grossen Stil umzusetzen.
Publiziert 23.12.2024 Lesedauer 4 min«Mit unserem Produkt geht es gerade ziemlich vorwärts», sagt Florian Brinkmann, Co-Founder des Start-ups Planeteers. Denn im August nahm das Jungunternehmen aus Hamburg den ersten Pilotreaktor in Betrieb. Seither speichert der in einem knallgrün angemalten Container untergebrachte Reaktor ununterbrochen CO2 ein. Im Fachjargon spricht man bei diesem Vorgehen vom sogenannten «carbon capture and storage» (CCS). Und so langsam bildet sich ein Markt für Technologien in diesem Bereich. Diverse Start-ups entwickeln Verfahren und Produkte, mit denen CO2 aus der Luft oder von Industrie-Schornsteinen genommen und gespeichert werden kann.
Die Planeteers haben dabei einen ganz eigenen Weg eingeschlagen: Anstatt das CO2 aus der Atmosphäre einzufangen, haben sie ihren Reaktor unmittelbar an einen Schornstein angeschlossen, um das CO2 direkt nach der Entstehung einzufangen. Mit Wasser wird das ausgestossene Kohlenstoffdioxid aus dem Schornstein in den Reaktor gespült, wo es zu im Wasser gelöstem Kalkstein gegeben wird. Dabei entsteht Hydrogencarbonat – im Wasser gespeicherter Kohlenstoff. Das mineralisierte Wasser kann anschliessend ins Meer oder in einen Fluss abgegeben werden.
Natürlicher Prozess – aber beschleunigt
Nicht nur ist das Verfahren für die Umwelt komplett unbedenklich, es ist tatsächlich auch ein natürlicher Prozess: Regen spült Kohlenstoff aus der Luft und fällt auf das Gestein der Berge, das verwittert. Der Kohlenstoff reagiert mit der Oberfläche des Gesteins und gelangt schliesslich in Form von Hydrogencarbonat ins Wasser. «Wir ahmen einen natürlichen Prozess nach, nur eben deutlich beschleunigt», fasst Co-Founder Florian Birner treffend zusammen. Während dieser Prozess in der Natur tausende von Jahren dauert, läuft die Verwitterung im Planeteers-Reaktor innerhalb von Minuten ab. Die Abgabe von Hydrogencarbonat ins Meerwasser hat dabei einen positiven Nebeneffekt: Das Meerwasser wird alkalisiert – also weniger sauer. Und das ist dringend notwendig. Denn unseren Meeren droht eine Versauerung, die im Extremfall zu einem massiven Artensterben führen kann. Schuld daran ist der hohe Anteil an «freiem» CO2 im Wasser. Das Hydrogencarbonat verhindert, dass das Meerwasser noch saurer wird. Gleichzeitig können die Ozeane wieder mehr CO2 aufnehmen. Denn der CO2-Anteil in den Ozeanen und in der Atmosphäre stehen in einem konstanten Gleichgewicht.
Je nach Menge des Kohlenstoffdioxids in der Atmosphäre geben die Ozeane den Stoff ab oder nehmen ihn auf. In den vergangenen Jahrzehnten hat der CO2-Anteil in der Atmosphäre extrem stark zugenommen. «Mit dem Kalksteinverwitterungsprozess ermöglichen wir, dass das Meer mehr CO2 aufnehmen kann», sagt Co-Founder Frank Rattey. Die Planeteers beschleunigen somit, dass die Natur das Klima selbst regulieren kann.
Unterstützung aus dem Smart Energy Innovationsfonds
Auch Christof Signer, Manager Corporate M&A von Energie 360°, ist überzeugt von der Vision und dieser Technologie: «Die Vision von Planeteers ist eine Welt, in der natürliche Prozesse, wie in diesem Fall die Kalksteinverwitterung, genutzt werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das bedeutet, Kohlenstoffemissionen zu reduzieren und aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen, um das empfindliche Gleichgewicht unseres Ökosystems wiederherzustellen.» Deshalb wird das Start-up durch den eigenen Smart Energy Innovationsfonds unterstützt. «Wir sind stolz darauf, in ein Unternehmen zu investieren, das nicht nur CO2-Speicherung angeht, sondern auch eine Lösung zur Bekämpfung der Ozeanversauerung bietet.»
CO2-Ausstoss der Schiffe führte zur Gründung
Der Gedanke, der zur Gründung der Planeteers führen sollte, kam dem Gründerteam – das sind Florian Brinkmann, Frank Rattey, Florian Birner und Jens Hartmann – im Sommer 2022. «Wir sahen die Schiffe hier im Hamburger Hafen und dachten uns, dass es schockierend ist, dass die pro Fahrt so viel CO2 ausstossen», sagt Brinkmann. So kamen sie auf die Idee, ein Start-up im Bereich der CO2-Speicherung zu gründen. Seither ist das Unternehmen stark gewachsen. 14 Mitarbeitende – sie nennen sich selbst Planeteers – arbeiten heute daran, die innovative Vision der vier Gründer umzusetzen. Nach dem Pilotreaktor soll nun ein weiteres Modell in Betrieb genommen werden. «Der zweite Reaktor wird nicht nur grösser sein als der erste, sondern auch viele technische Neuerungen beinhalten», sagt Florian Birner.
Doch auch mit diesem Reaktor werden lediglich kleine Brötchen gebacken. Um einen Einfluss auf das Klima zu haben, werden wesentlich grössere Anlagen benötigt. Und diese sollen nach der Markteinführung ermöglicht werden. Denn die Reaktoren sind aktuell noch gar nicht erhältlich. «Wir wollen, dass die Technologie einen möglichst hohen Reifegrad hat, wenn sie auf den Markt kommt. Dazu entwickeln wir kundennah und unter «live»-Bedingungen», sagt Birner. Voraussichtlich 2026 wird die Technologie ausreichend optimiert sein, sodass erste industriefähige Anlagen verkauft werden können. Der Co-Gründer kann es kaum erwarten, mit der Planeteers-Technologie im grossen Stil CO2 zu speichern: «Es ist eine riesige Aufgabe, die die Climate-Tech-Branche erfüllen muss. Und das motiviert uns jeden Tag aufs Neue.»
Meilensteine
Im Dezember gründen Florian Brinkmann, Frank Rattey, Florian Birner und Jens Hartmann das Unternehmen.
Laborreaktor vertestet theoretische Grundlagen im Betrieb. Der technisch weiterentwickelte Pilotreaktor wird gebaut und in der Garage getestet.
Der Pilotreaktor wird unter realen Bedingungen bei einem Partner/Kunden betrieben. Im September erhalten die Planeteers den Hamburger Gründerpreis.
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