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«Nur eine offene Kommunikation bringt uns ans Ziel»

Energieprojekte erfordern eine enge Zusammenarbeit. Wie in Meilen, wo heute mit Seewasser gekühlt und mit Abwärme geheizt wird. Markus Müller, Energiemanager Delica AG, und Heini Bossert, Vorsitzender Energie- und Klimakommission Meilen, im Gespräch.

Publiziert 16.09.2024 Lesedauer 4 min

Am Anfang jedes Projektes steht eine Idee. Wer hat bei Ihnen den Stein ins Rollen gebracht?

Markus Müller (MM): Die Initialidee kam von der Gemeinde. 2010 fragten sie uns an, ob wir uns an den neu realisierten Energieverbund im Dorfkern anschliessen wollten. Die Rahmenbedingungen passten damals zwar nicht, aber der Gedanke liess mich nicht mehr los. 2016 kamen unsere zehn Kühltürme auf dem Dach ins Alter und es standen Investitionen an. Da habe ich die Idee wieder aufgegriffen.

Heini Bossert (HB): In der Energiekommission Meilen war die Delica aufgrund ihres Energiebedarfs immer ein Thema. Auch wie man die Abwärme des Produktionsbetriebs zukunftsgerichtet besser nutzen könnte, wurde schon früh diskutiert. Umso grösser war unsere Begeisterung über eure Initiative.

Wie sah die Zusammenarbeit aus?

HB: Auch wenn es kein gemeinsames Projekt im eigentlichen Sinn war, haben wir die Delica unterstützt, wo wir konnten. Zum Beispiel bei der Suche nach einem geeigneten Standort für die Pumpstation, um das Seewasser zu fassen. Es war uns bewusst, dass der Erfolg des Projekts auch von unserer Bereitschaft abhing, öffentlichen Grund zur Verfügung zu stellen.

MM: Wir haben die Gemeinde nur dort eingebunden, wo wir Unterstützung brauchten, etwa bei den Genehmigungen. Das war vor allem im ersten Projekt der Fall, bei der Seewassernutzung. Das Folgeprojekt, die Bereitstellung unserer Abwärme in einem Wärmeverbund, spielte sich vor allem zwischen Gemeinde und Energieversorger ab.

Mit welchen Risiken waren die verschiedenen Akteur*innen konfrontiert?

HB: Für die Gemeinde wäre es ein Problem, wenn die Wärme plötzlich nicht mehr geliefert würde, entweder weil die Abwärme der Delica wegfällt oder weil der Energieversorger in Schwierigkeiten gerät. Dieses Risiko haben wir mit einem Konzessionsvertrag aufgefangen. 

MM: Für uns gab es kaum Risiken. Wir haben mit Energie 360° alternative Lösungen eingeplant, damit sie auch ohne unser Zutun Wärme liefern könnten

HB:  Aber das Risiko für die Wärmezentrale und den Wärmeverbund liegen schlussendlich beim Energiedienstleister. Deshalb war es wichtig, schon frühzeitig abzuklären, ob es genügend Abnehmer*innen für die Wärme gibt.

  • Verschiedene Akteur*innen mit unterschiedlichen Interessen sind typisch für Abwärmeprojekte. Umso wichtiger, dass man sich an einen Tisch setzt und einander zuhört.

  • «Das Projekt der Delica hat uns motiviert, weiterzumachen. Es war der Anstoss für die Vertiefung der kommunalen Energieplanung», sagt Heini Bossert, Vorsitzender Energie- und Klimakommission Meilen.

  • «Anstatt ‹Pflästerlipolitik› zu betreiben, müssen wir einen Schritt zurücktreten, das grosse Ganze anschauen und gemeinsam nach Lösungen suchen», betont Markus Müller, Energiemanager Delica AG.

  • Was haben Sie unterschätzt?

    HB: Den Leitungsbau für den Wärmeverbund. Es gab viele Baustellen über eine lange Zeit. Das hat zu bösen Leserbriefen geführt. Wenn eine Bushaltestelle drei Monate nicht bedient wird, fehlt das Verständnis in der Bevölkerung. Wir hätten vorgängig besser kommunizieren müssen, dass die dreimonatige Leidenszeit einen tollen Gewinn für die nächsten fünfzig Jahre bringt.

    MM: Bei uns sind zwar immer wieder technische Fragen aufgekommen, aber grosse negative Überraschungen gab es nicht. Glücklicherweise ist man beim Aushub der Pumpstation am See nicht wie anderswo auf eine Pfahlbausiedlung gestossen.

    Wann haben Sie sich besonders gefreut über das Miteinander?

    HB: Beide Seiten haben sich überlegt, was sie machen könnten, damit es zügig vorwärtsgeht, und nicht, was sie verlangen müssten, damit sie nicht zu kurz kommen. Das fand ich schön!

    Und was war schwierig?

    HB: Es gab zwei Situationen, in denen die Gemeinde gezwungen war, das Schritttempo und den Zeitplan der Delica zu akzeptieren. Das Unternehmen musste eine beträchtliche Investition tätigen und der Entscheidungsprozess brauchte Zeit. In dieser Phase sprang ein wichtiger Wärmebezüger ab, weil er nicht so lange warten konnte. Schade war auch, dass wir den Bau der Pumpstation nicht gleichzeitig mit der Sanierung der Seeanlage durchführen konnten. Der fertiggestellte Platz musste erneut aufgerissen werden. Diese Kosten hätte die Delica einsparen können. Das ist nicht optimal gelaufen, aber damit muss man leben können.

  • «Die Gemeinden müssen Anstrengungen unternehmen, um zu wissen, wo der Wärmebedarf gross ist und wo die Abwärme anfällt. Erst dann lassen sich die Möglichkeiten erkennen.»

    Heini Bossert

    Vorsitzender Energie- und Klimakommission Meilen

  • «Entscheidend ist eine offene Kommunikation zwischen Gemeinde und Unternehmen. Wie soll man sonst wissen, was die andere Seite umtreibt? Natürlich will man nicht alle internen Projekte teilen, aber wer sich austauscht, kommt auf ganz neue Lösungen.»

    Markus Müller

    Energiemanager Delica AG

  • Was würden Sie das nächste Mal anders machen?

    HB: Wäre die Seewasserfassung grösser, liesse sich das zusätzliche Wasser jetzt zum Heizen einsetzen. Daran hat zum damaligen Zeitpunkt keiner gedacht. Ausserdem wollten wir keine unnötigen Auflagen machen, um das Projekt nicht zu gefährden. Heute würde ich von der Delica eine grössere Wasserfassung verlangen.

    MM: Aus Sicht des Unternehmens bin ich allerdings der Meinung, dass die Gemeinde solch zusätzliche Kosten tragen müsste.

    HB: Ja, wir hätten investieren müssen, aber wir waren noch nicht so weit. Niemand konnte vorhersagen, wie sich die Energieversorgung entwickeln würde. Der Ukraine-Krieg hat den Wärmeverbünden Auftrieb gegeben und wir haben alle dazugelernt.

    MM: Aber noch immer sind «Pflästerlipolitik» und «Gärtlidenken» vorherrschend. Wir müssen einen Schritt zurücktreten, das grosse Ganze anschauen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Sonst werden wir die Klimaziele, die wir uns gesetzt haben, nicht erreichen.

    HB: Auch die Gemeinden sollten sich noch stärker bewegen, aber sie sind halt nicht alle gleich aufgestellt.

    Was raten Sie anderen Gemeinden und Industriebetrieben?

    HB: Die Gemeinden müssen Anstrengungen unternehmen, um zu wissen, wo der Wärmebedarf gross ist und wo die Abwärme anfällt. Erst dann lassen sich die Möglichkeiten erkennen.

    MM: Entscheidend ist vor allem eine offene Kommunikation zwischen Gemeinde und Unternehmen. Wie soll man sonst wissen, was die andere Seite umtreibt, was sie plant? Natürlich will man nicht alle internen Projekte teilen, aber wer sich beispielsweise in einem Jahresgespräch austauscht, Missionen und Informationen teilt, kommt auf ganz neue Lösungen.

    Das Projekt

    Seit 2021 setzt die Delica AG Seewasser zur Prozesskühlung ein. Dazu musste eine Seewasserfassung sowie eine rund 530 Meter lange Leitung auf Gemeindegebiet gebaut werden. In einem Folgeprojekt wurde die Abwärme des Produktionsbetriebs für einen neu geschaffenen Wärmeverbund von rund 100 Liegenschaften nutzbar gemacht. Seit Herbst 2023 beziehen die ersten Haushalte Wärme, die Fertigstellung des Projekts ist für voraussichtlich 2025 geplant.

    Die letzten Anschlüsse an den Wärmeverbund sind in Arbeit, das Projekt ist beinahe abgeschlossen. Würden Sie es nochmals zusammen anpacken?

    HB: Ja, wir würden es sofort wieder tun.

    MM: Wir auch. Fast schade, dass es eine einmalige Sache war. Es hat einfach alles Sinn gemacht. Wir wissen, dass wir viel Energie brauchen, und es ist ein gutes Gefühl, das Beste daraus zu machen.

    HB: Die Erfahrung hat uns motiviert, weiterzumachen: Welche Gebiete können wir noch erschliessen, wo lassen sich Synergien mobilisieren? Das Projekt der Delica war ein Anstoss für die Vertiefung der kommunalen Energieplanung.

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